Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Offenlegung 2025
Die Offenlegung zum Bebauungsplan Kloster Heilsbruck ist abgeschlossen. Wir möchten uns ausdrücklich bei allen Bürgern bedanken, die sich mit dem vorliegenden Entwurf beschäftigt und Ihre Bedenken und Hinweise mit eigenen Stellungnahmen ins Verfahren eingebracht haben.
Zusätzlich haben wir uns auf Grund der zahlreichen Problemstellen und Regelungsdefizite im aktuellen Entwurf dazu entschlossen, eine renommierte Anwaltskanzlei für Verwaltungsrecht hinzuzuziehen, die unsere Argumente strukturiert, mit dem notwendigen rechtlichen Kontext versehen, die geplanten Regelungen mit der geltenden Rechtsprechung abgeglichen hat und uns im weiteren Verlauf des Bebauungsplan-Verfahrens unterstützen wird.
Das Ergebnis möchten wir im folgenden zugänglich machen:
Inhalt
1. Zulässigkeit der geplanten Nutzungen und bauplanungsrechtliche Einordnung
1.1 Nicht hinreichend klare und eindeutige Zweckbestimmung
Der Bebauungsplanentwurf weist das Plangebiet als „Sonstiges Sondergebiet“ gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO aus, unterteilt in SO 1 „Kloster Heilsbruck“ und SO 2 „Klostermühle“. Innerhalb dieser Sondergebiete soll ein Nutzungsgemisch aus
- Beherbergung,
- Gastronomie,
- Seminaren/Veranstaltungen,
- Feriennutzung und
- Kleingewerbe
ermöglicht werden. So erlaubt SO 1 u.a. ein Hotel Garni mit Spa (max. 40 Zimmer), ein Boardinghouse (max. 4 Wohneinheiten), Gastronomie mit 240 Sitzplätzen (bis zu 120 im Freien) sowie Veranstaltungsräume für bis zu 180 Personen. In SO 2 sind ein kräuterverarbeitender Betrieb mit Café, begleitende Seminare, nicht störendes Kleingewerbe, Wohnen (max. 2 Wohnungen) und Ferienwohnungen (max. 3 Einheiten) vorgesehen. Auch hier sind gastronomische Einrichtungen zulässig, insgesamt bis zu 100 Bewirtungs-Sitzplätze (insbesondere im Außenbereich des Kräutergartens). Bemerkenswerterweise gestattet der Plan in SO 2 ebenfalls Veranstaltungen und private Feiern in entsprechenden Räumlichkeiten.
1.2 Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz zum sog. Etikettenschwindel
Aus bauplanungsrechtlicher Sicht ist die Ausweisung eines derart umfangreichen Nutzungsmixes in einem Sondergebiet zwar grundsätzlich nach § 11 Abs. 2 BauNVO möglich, erfordert jedoch eine klare Zweckbestimmung und eindeutige Festsetzungen der Nutzungsart. Diese Eindeutigkeit lässt die Planung vermissen. Zwar werden die einzelnen Nutzungen aufgezählt und teilweise quantitativ beschränkt (Zimmerzahl, Sitzplätze etc.). Doch bleibt fraglich, ob sämtliche vorgesehenen Vorhaben von der formulierten Zweckbestimmung gedeckt sind. Insbesondere die Veranstaltungsnutzung wirft Abgrenzungsfragen auf: Veranstaltungen mit bis zu 180 Personen sind keine typische Nebenanlage eines Beherbergungsbetriebs mehr, sondern stellen eigenständige Vergnügungsstätten bzw. Eventnutzungen dar. Deren Vereinbarkeit mit einem „nicht störenden” Gewerbecharakter ist nicht gegeben; tatsächlich sind derartige Veranstaltungen potentiell störend für die Umgebung, was im Widerspruch zur Formulierung „nicht störend” in den Festsetzungen steht. Hier liegt die Annahme eines sog. Etikettenschwindels nahe (vgl. BVerwG ZfBR 2000, 353; OVG Lüneburg ZfBR 2000, 137; VGH Mannheim BeckRS 2020, 19110); siehe die Ausführungen des auch hier zuständigen OVG Rheinland-Pfalz im Urt. vom 29. Jan. 2015 – 1 C 10442/14.OVG:
„Ein Plangeber, der ein […] festsetzt, muss deshalb das gesetzlich vorgesehene Miteinander grundsätzlich unterschiedlicher Nutzungen auch wollen oder zumindest sicher voraussehen, dass sich in dem fraglichen Gebiet […] einstellt […]. Wenn er dagegen ein Miteinander gar nicht anstrebt oder wenn eine solche Entwicklung wegen der vorhandenen Bebauung oder aufgrund sonstiger Festsetzungen im Bebauungsplan faktisch nicht zu erreichen ist, stellt die Festsetzung […] einen städtebaulich nicht gerechtfertigten „Etikettenschwindel“ dar (siehe auch OVG Münster Urt. v. 9. 10. 2003 – 10 a D 71/01 NE, juris).“
Tatsächlich gewollt (nur das ist realistisch) ist die Ermöglichung einer störenden Nutzung mit Gewerbecharakter. Die Bezeichnung als „nicht störend“ ist ein der Beschwichtigung dienender sog. Etikettenschwindel.
1.3 Kollision von Raumnutzungsansprüchen auf engem Raum
Auch in SO 2 erscheint die Kombination von dauerhaften Wohnnutzungen mit einem gewerblich-touristischen Betrieb problematisch, da hier wohnverträgliche Ruhe und betriebliche Eventkultur auf engem Raum kollidieren. Es fehlt an klaren Regelungen zur internen Gebietsgliederung oder Immissionsschutz innerhalb des Sondergebiets, die sicherstellen, dass etwa die Wohnungen und Ferienhäuser in SO 2 hinreichend vor Lärm des eigenen Cafés/Veranstaltungsbetriebs geschützt werden. Die Planung nimmt hier einen ungewöhnlichen Nutzungsmix vor, ohne die daraus entstehenden Konflikte innerhalb des Gebiets planerisch aufzulösen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Gebots der konfliktarmen Zuordnung der Nutzungen kritisch zu sehen.
Die in SO 1 und SO 2 vorgesehene Kombination aus Hotel, Boardinghouse, Spa, Gastronomie, Seminaren, Veranstaltungen, Café, Kräuterproduktion, Ferienwohnungen und Arztpraxen überschreitet den Rahmen und konterkariert das Gebot klarer Gebietstypik. Es droht eine faktische Ballung von Eventstätten in unmittelbarer Nähe zu Wohnnutzung und damit am falschen Standort; die Steuerungskompetenz der Gemeinde (§ 1 Abs. 3 BauGB) wird auf diese Weise letztlich ausgehöhlt.
2. Zur Flächennutzungsplanung
Ferner ist festzustellen, dass die geplante Umnutzung des Klosterareals in ein gewerblich-touristisches Sondergebiet dem bisher gültigen Flächennutzungsplan widerspricht. Der rechtskräftige FNP (Stand 2013) stellt das Areal als Fläche für die Landwirtschaft (Grünzug) dar. Die jetzt beabsichtigte Entwicklung zu einem Sondergebiet für Gastronomie, Beherbergung und Veranstaltungen ist damit nicht vereinbar. Laut Begründung soll zwar eine 5. Teilfortschreibung des FNP diese Änderung nachvollziehen (vgl. insofern auch die offengelegte 5. Teilfortschreibung des Flächennutzungsplans). Jedoch ist hervorzuheben, wie grundlegend der Charakter der Fläche geändert wird. Ursprünglich dem Außenbereich bzw. landwirtschaftlichen Nutzungen vorbehalten, soll nun ein intensives Veranstaltungs- und Tourismuszentrum etabliert werden.
Ein solcher Wandel bedarf nach § 1 Abs. 4 BauGB der strikten Beachtung der Ziele der Raumordnung, insbesondere des Landesentwicklungsprogramms IV (LEP IV). LEP IV fordert u.a. eine flächensparende Entwicklung und den Vorrang der Innenentwicklung vor neuer Außenentwicklung. Die vorliegende Planung versucht, diese Anforderungen zu umgehen, indem sie argumentiert, es handle sich um eine besondere bereits baulich geprägte Sondersituation innerhalb bestehender Klostermauern, also quasi eine Innenentwicklung im Außenbereich. Dies mag von der Oberen Landesplanungsbehörde (SGD Süd) in einer Stellungnahme vom 17. August 2020 als ausreichend angesehen worden sein, um ein formelles Zielabweichungsverfahren zu vermeiden. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass die geplanten umfangreichen Neubauten und Nutzungen in einem bisher weitgehend unbebauten, denkmalgeschützten Ensemble einen schweren Eingriff in die bisherige Planungs- und Entwicklungsphilosophie darstellen. Die Erforderlichkeit dieser Planung i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB ist fraglich, zumal sie offensichtlich primär der Privatnutzung durch Investoren zur wirtschaftlichen Gewinnmaximierung dient. Zwar wird der Denkmalschutz des historischen Klostergebäudes als Legitimationsgrund bemüht, doch tritt dieser Aspekt in der eigentlichen Planung in den Hintergrund – im Vordergrund stehen zahlreiche neue Gebäude und neue Nutzungsarten, die mit dem Denkmalschutz allenfalls indirekt verknüpft sind. Die Gemeinde muss sich fragen lassen, ob hier tatsächlich ein Gemeinwohlinteresse die Planung erforderlich macht oder ob überwiegend private Investoreninteressen verfolgt werden (Stichwort: fehlende Erforderlichkeit der Planung).
Die Darstellung und Begründung der Flächennutzungsplanung ist im Hinblick auf die vorgesehene „Sonderbaufläche mit der Zweckbestimmung Klosterareal mit ergänzenden privaten Grünflächen“ zu beanstanden. Denn bei der Darstellung von Sonderbauflächen in Flächennutzungsplänen bestehen besondere Anforderungen, weil für solche Flächen die BauNVO die Zweckbestimmung gerade offenlässt. Das bringt aber das Erfordernis mit sich, dass dann im Rahmen der Bauleitplanung eine hinreichend konkrete nähere Bestimmung des Zwecks erforderlich ist (vgl. BVerwG Urt. v. 18.2.1994 – 4 C 4.92). Hier wird der erforderliche Bestimmtheitsgrad nicht erreicht, insbesondere deshalb, weil nur ein Teil der geplanten Nutzungen aus der Begründung (nicht aus der Zweck-Darstellung) offen und transparent benannt wird. Nicht erwähnt werden vor allem die besonders konfliktträchtigen Nutzungen wie Veranstaltungen, Hochzeiten, Boardinghausnutzung, Laden-/Gerwerbenutzung und Seminarräumenutzung. Die Folge ist, dass diese Intransparenz geeignet ist, eine falsche Vorstellung von der Planung zu vermitteln – insbesondere, um die Zustimmung der Unteren Landesplanungsbehörde und der SGD Süd zu erhalten. Genau deshalb, um einer solchen Praxis vorzubeugen, verlangt die Rechtsprechung, das Geplante hinreichend bestimmt (und auch vollständig) zu benennen, oder anders formuliert: ein Etikettenschwindel oder intransparente Formulierungen führen zur rechtlichen Angreifbarkeit der Planung.
3. Immissionen, insbesondere Schallimmissionen
Das Vorhaben umfasst Lärmquellen, die bereits für sich betrachtet erheblich sind, erst recht aber in ihrem Zusammenwirken (zumal schon jetzt nicht unerhebliche Belastungen durch den Hotelbetrieb am Triefenbach und die Alla-Hopp-Anlage bestehen):
- Hotelbetrieb mit Außenbewirtung
- Veranstaltungen im Kloster und im Kräutergarten
- Verkehr auf Parkplatz und An- und Abfahrten
3.1 Erkennbar nicht realistische Annahmen
Eine schalltechnische Immissionsprognose (Immissionsprognose, Oktober 2023) wurde erstellt und in die Begründung einbezogen. Diese Prognose behauptet, dass die von der Planung ausgehenden Geräuschimmissionen in allen Lastfällen (1 – 4) sowohl tags als auch nachts unter den geltenden Immissionsrichtwerten bleiben. Das wird jedoch nur dadurch erreicht, dass im Gutachten zahlreiche entlastende Annahmen getroffen werden.
- So wird beispielsweise angenommen, dass bei Abendveranstaltungen ab 20 Uhr 50% der Gäste sich im Innenraum aufhalten, um die Immissionsrichtwerte nachts einzuhalten.
- Ebenfalls wird angenommen, dass ab 22 Uhr die Musik freiwillig leiser gestellt wird.
- Für den sog. „ungünstigsten” Fall (Lastfall 4a: Parallelveranstaltung im Kloster und Kräutergarten) unterstellt das Gutachten sogar („nach Aussagen des Betreibers“) eine Einstufung als seltenes Ereignis gem. Nr. 7.2 TA Lärm, um höhere Lärmrichtwerte anlegen zu dürfen.
- In diesem Szenario 4a wird zudem angenommen, im Außenbereich des Kräutergartens fände keine Musikbeschallung statt.
All diese Annahmen sind derart offensichtlich ergebnisorientiert und betriebswirtschaftlich motiviert, dass es erstaunt, wenn eine Kommune mit einer solchen Prognose ernsthaft versucht, eine (an rechtlichen Anforderungen zu messende) Bebauungsplanung zu betreiben. Die Annahmen entbehren einer belastbaren Grundlage, mit anderen Worten: Die Immissionsprognose „rechnet” den Betrieb schön, indem es auf freiwillige Selbstbeschränkungen der Betreiber und Gäste vertraut.
Das geht weit über den in solchen Konstellationen nicht selten vorkommenden Konfliktbewältigungsausfall hinaus; vielmehr liegt (auch hier) ein mit Händen zu greifender sog. Etikettenschwindel vor. Es wird eine verlässliche Steuerung behauptet, die aber nicht nur nicht gesichert ist, sondern von der Freiwilligkeit desjenigen, der aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse daran hat, ausgeht. Eine solche Planung ist bestenfalls naiv; schlechtestenfalls nimmt sie bewusst Überschreitungen in Kauf, weil das Projekt möglichst projektiererfreundlich realisiert werden soll.
Die der Immissionsprognose zugrunde liegenden Annahmen sindlebensfremd. Erfahrungsgemäß werden Gäste von Veranstaltungen an lauen Sommerabenden nicht um 20 Uhr freiwillig nach innen gehen, sondern möglichst lange im Freien bleiben. Ebenso wenig ist gesichert, dass ein DJ oder Musiker nach 22 Uhr von sich aus die Lautstärke reduziert. Die Prognose geht auch davon aus, dass 50% der Gäste nicht reden, sodass nur die Hälfte zum Geräuschpegel beiträgt. In der Praxis von Feiern (Hochzeiten etc.) ist jedoch mit johlenden Ausrufen, Gesang, Applaus und lautem Lachen vieler Anwesenden zu rechnen, was zu deutlich höheren Spitzenpegeln führt, als im Gutachten unterstellt. Die Immissionsprognose macht hier pauschal beruhigende Aussagen ohne belastbare empirische Herleitung.
Ähnlich lebensfremd ist auch die in der Immissionsprognose zu findende Erwägung, dass das Vermieten der Hotelzimmer an Feiernde eine schützende Wirkung für die Umgebung habe, weil Parklärm entfalle. Realistisch betrachtet dürfte genau das Gegenteil für die Umgebung eintreten: Wenn diejenigen, die Feiern, im Hotel übernachten anstatt nach Hause zu fahren, erhöht sich – erstens – der Alkoholpegel (und damit der Lärm) und – zweitens – wird ausdauernder gefeiert. Es ist nur realistisch, anzunehmen, dass die Bilanzierung von Vor- und Nachteilen zu deutlich gewichtigeren Nachteilen führt – gewiss ist es aber falsch (und provoziert die Planung angreifbar machende Abwägungsfehler), der Entscheidung die Annahme eines Vorteils aufgrund von Hotelübernachtungen zugrundezulegen, während die (überwiegenden) Nachteile nicht genannt werden.
3.2 Erfahrungen aus früheren Veranstaltungen
Tatsächlich mussten bei früheren Veranstaltungen auf dem Gelände (Betrieb bis 2018) regelmäßig die Polizei wegen nächtlichen Lärms gerufen werden, ausgelöst durch Anwohner auch aus weiter entfernten Straßen (z.B. Landauer Weg östlich des Geländes). Dies belegt, dass der effektive Einwirkungsbereich des Veranstaltungslärms größer ist, als im Gutachten betrachtet. Dennoch weist die Immissionsprognose „in Richtung Süden weiße Flecken“ (ungenügend abgedecktes Gebiet) auf und endet nach Osten frühzeitig, ohne jene Anwohner ausreichend zu betrachten. Vorbelastungen aus der früheren Nutzung (Klosterbetrieb bis 2018, inkl. Kräutergarten-Events) wurden nicht angemessen analysiert, obwohl der Gemeinde bekannt war, dass es bereits zahlreiche Lärmbeschwerden gab. Das Gebot der Konfliktbewältigung verlangt, solche bestehenden Konflikte im neuen Bebauungsplan zu lösen, statt sie zu ignorieren.
3.3 Park-/Verkehrslärm
Weiter wird der Park-/Verkehrslärm schöngerechnet, indem unterstellt wird, viele Parkplätze seien durch Hotelgäste belegt und stünden Veranstaltungsgästen gar nicht zur Verfügung – daher käme es angeblich nur zu 10 Kfz-Fahrten nach 22 Uhr trotz Veranstaltungen mit 400–500 Personen. Diese Annahme ist äußerst unwahrscheinlich.
Das Projekt umfasst diverse Nutzungen, die jeweils einen Stellplatzbedarf generieren (Hotelgäste, Boardinghouse-Bewohner, Restaurantbesucher, Seminarteilnehmer, Eventgäste, Mitarbeiter, Bewohner der Ferienhäuser/Wohnungen etc.). Der Bebauungsplan selbst trifft jedoch keine konkreten Festsetzungen zwecks Bewältigung dieses Themas. Zur Stellplatzanzahl oder -nachweis. Weder im zeichnerischen Teil noch im Text wird verbindlich ausgewiesen, wie viele Kfz-Stellplätze insgesamt geschaffen werden und welcher Nutzung diese zugeordnet sind. Nach den einschlägigen Richtzahlen (z.B. Parkplatzrichtzahlen RLP) ergibt sich für das geplante Nutzungsgemisch ein erheblicher Stellplatzbedarf. Unsere eigenen Berechnungen auf Basis der im Plan festgesetzten Nutzungskapazitäten zeigen einen Bedarf von mindestens ca. 96 bis zu 168 Stellplätzen – je nachdem, ob man eher großzügige oder restriktive Maßstäbe anlegt. Im Einzelnen wurde überschlägig angesetzt (in Anlehnung an Richtzahlen des Landes):
- Hotel Garni (40 Zimmer / ~72 Betten): ca. 18–36 Stellplätze (1 je 2–4 Betten)
- Boardinghouse (4 WE): ca. 8 Stellplätze (2 pro WE)
- Veranstaltungsräume (180 Plätze): ca. 18–36 Stellplätze (1 je 5–10 Sitzplätze)
- Gastronomie Kloster (240 Plätze): ca. 24–48 Stellplätze (1 je 5–10 Plätze)
- Büro/Praxen (ca. 240 m²): ca. 6–8 Stellplätze (1 je 30–40 m² NF)
- Wohnen SO2 (2 Wohnungen): 4 Stellplätze (2 je WE)
- Ferienwohnen SO2 (8 Einheiten laut Planung): 8 Stellplätze (1 je Einheit)
- Gastronomie Kräutergarten (100 Außenplätze): ca. 10–20 Stellplätze (1 je 5–10 Plätze)
Diese Zahlen verstehen sich als grobe Richtgröße; tatsächlich käme ggf. noch Bedarf für Mitarbeiter und Besucher des Kräuterbetriebs hinzu. Insgesamt ergibt sich so selbst unter günstigen Annahmen ein hoher zweistelliger Stellplatzbedarf, im ungünstigeren Fall sogar weit über 150 Plätze. Diesen Bedarf auf dem Gelände abzuwickeln, erscheint kaum realistisch, zumal die vorliegenden Planunterlagen keine klare Stellplatzaufteilung erkennen lassen. Offenbar sind im Klosterhof und westlichen Bereich einige Parkplätze vorgesehen (u.a. 6 am Weinberg laut Entwässerungsplan), weitere entlang der Klosterstraße außerhalb der Klostermauern (diese existierten bereits im Bestand und liegen direkt vor Wohnhäusern). Doch wie viele es insgesamt sind, bleibt unklar. Der Umweltbericht erwähnt an einer Stelle, dass die Erschließung und Nutzung des Plangebietes keine unzumutbaren Verkehrslärmauswirkungen auf die Nachbarschaft haben soll, was wohl heißt, dass man von geringem zusätzlichem Kfz-Verkehr ausgeht.
In der Immissionsprognose selbst wurde – wie oben dargestellt – rechnerisch unterstellt, nach 22 Uhr fänden nur 10 Auto-Fahrten statt. Dies impliziert die Annahme, dass ein großer Teil der Veranstaltungsgäste bereits als Hotelgäste vor Ort übernachtet (und somit nicht wegfährt). Eine derart weitgehende Doppelnutzung der Stellplätze (zunächst anreisende Hotelgäste, dann am selben Abend keine neuen Veranstaltungsgäste mehr mit Autos) steht jedoch auf tönernen Füßen; es handelt sich um eine haltlose Spekulation. Ebenso wenig ist gesichert, dass bei größeren Events ein Shuttle-Service eingerichtet wird o.ä. (eine Idee, die im ersten Planentwurf offenbar erwogen, nun aber fallen gelassen wurde). Stattdessen findet sich in der Prognose der Hinweis, man werde „in Einladungen auf öffentliche Parkplätze in der Umgebung verweisen“. Das heißt im Klartext: Man verlässt sich darauf, dass Gäste auf weiter entfernte öffentliche Stellplätze ausweichen. Ob diese vorhanden sind und angenommen werden, ist ungewiss. Wahrscheinlicher ist, dass Veranstaltungsbesucher in den angrenzenden Wohnstraßen und Wirtschaftswegen parken, wie es bis 2018 bereits häufig geschah. Dies würde zu erhöhtem Parksuchverkehr und Wildparken vor den Häusern der Anwohner führen – ein Szenario, das der Bebauungsplan weder verhindert noch überhaupt thematisiert.
Gerade weil die Parkplatzfrage konfliktträchtig ist, wäre es Aufgabe der Bauleitplanung gewesen, hier lenkend einzugreifen. Üblich und möglich wären z.B. Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 26 BauGB (Stellplatzflächen festsetzen) oder nach Nr. 22 (Flächen für Gemeinschaftsstellplätze). Der Bebauungsplan lässt die zentrale Frage offen, wo der Verkehr der 400 – 500 Besucher bei Großveranstaltungen bleibt.
Abgesehen davon ist auch die Verkehrserhöhung zu erwähnen. Das Klosterareal wird über die schmale Klosterstraße (K6) erschlossen, die durch ein Wohngebiet führt. Verkehr bei Veranstaltungen oder Tagungen könnten zu Verkehrsspitzen und Staus führen. Ein eigenes Verkehrsgutachten wurde – soweit ersichtlich – nicht erstellt. Damit hat die Gemeinde einen Teil der notwendigen Sachverhaltsermittlung unterlassen. Die Stellungnahmen aus der frühzeitigen Beteiligung wiesen bereits auf Verkehrsprobleme hin; trotzdem fehlt im Entwurf eine belastbare Prognose über das tägliche und Spitzen-Verkehrsaufkommen. Auch Aspekte wie Lieferverkehr (Lkw für Hotel/Gastronomie) und Rettungswege bei Großveranstaltungen sind nicht transparent dargelegt. Dies alles verstärkt den Eindruck, dass man potentielle Konflikte bewusst ausblendet, um dem Betreiber keine Einschränkungen auferlegen zu müssen.
Die Planung krankt an einem erheblichen Steuerungsdefizit in verkehrlicher Hinsicht. Ein Bebauungsplan soll die nachteiligen Folgen eines Vorhabens für die Umgebung minimieren und steuern – hier jedoch wird gerade der Verkehr, einer der wichtigsten Konfliktfaktoren, ausgeklammert. Dies stellt einen Abwägungsmangel dar.
3.4 Keine effektiven Lärmschutzmaßnahmen
Effektive Lärmschutzmaßnahmen sind im Bebauungsplan nicht vorgesehen. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB könnten z.B. bestimmte betriebliche Abläufe oder Immissionskontingente vorgegeben werden. Doch die Planbegründung stellt explizit fest, dass aufgrund der (auf unrealistischen Annahmen beruhende) Immissionsprognose keine Festsetzungen im Bebauungsplan erforderlich seien. Diese Schlussfolgerung beruht auf dem Vertrauen in die freiwilligen Maßnahmen und die optimistischen Annahmen des Gutachtens.
So wird argumentiert, Lastfall 4 (Simultanbetrieb Kloster und Kräutergarten) trete praktisch nicht ein, da man von keiner Gleichzeitigkeit ausgehe – andernfalls solle dies ein „seltenes Ereignis” (< 10/Jahr) sein. Weiter heißt es, bei Veranstaltungen im Kloster würden die Hotelzimmer an Besucher vermietet, wodurch nächtliche Abfahrten verringert würden. Doch ob und wie solche Zusagen der Betreiber tatsächlich umgesetzt werden, bleibt völlig offen; sie sind weder im Plan noch anderweitig öffentlich-rechtlich gesichert. Es existieren keine Vorgaben zu Schließzeiten, keine Musikverbote im Außenbereich, keine Begrenzung paralleler Veranstaltungen, kein Monitoring-Konzept – kurzum: kein Instrumentarium, um die Einhaltung der Immissionsrichtwerte sicherzustellen.
3.5 Keine lediglich „seltenen Ereignisse“
Darüber hinaus ist die Berufung auf die Regelung der „seltenen Ereignisse“ nach TA Lärm im Kontext kommerzieller Veranstaltungen rechtlich nicht haltbar. Nach Nr. 7.2 TA Lärm dürfen Überschreitungen der Immissionsrichtwerte ausnahmsweise an max. 10 Kalendertagen pro Jahr zugelassen werden, wenn es sich um besondere Anlässe handelt. Klassische Beispiele sind herausgehobene Feste der Kommune oder örtlicher Vereine (etwa traditionelle Dorf- oder Stadtfeste), die als sozialadäquat gelten. Gewerbliche Events oder private Feiern hingegen zählen nicht hierzu; solche Lärmimmissionen werden von Anwohnern gerade nicht in erhöhtem Maß als sozialadäquat akzeptiert.
Die Annahme, man könne parallele Hochzeitsfeiern im Kloster und Kräutergarten einfach als „seltene Ereignisse” deklarieren, verkennt den Sinn der Ausnahmeregel. Bei einem auf Gewinnerzielung gerichteten Eventbetrieb ist vielmehr zu erwarten, dass möglichst viele Veranstaltungen stattfinden sollen. Es droht damit eine Regelmäßigkeit von Lärmspitzen, die keinesfalls als seltene, entschuldbare Ausnahme abgetan werden können. Selbst wenn man formal die ≤ 10-Tage-Grenze einhält, wären 10 Hochzeits-Wochenenden pro Jahr mit nächtlichem Lärm für die Nachbarschaft unzumutbar. Hier fehlt eine klare Grenze; etwa eine Beschränkung kommerzieller Open-Air-Events auf ein Minimum oder strengere Auflagen für Musik nach 22 Uhr.
Erwähnt sei an dieser Stelle auch, dass Gebiet um die Klosterstaße bereits an sechs Tagen pro Jahr mit Lärm durch öffentliche Veranstaltungen (Owwergaesser Winzerkerwe und Rock am Friedensdenkmal) belastet ist. Und auch die bereits oben erwähnten Belastungen durch den Hotelbetrieb am Triefenbach und die Alla-Hopp-Anlage sind relevant und im Rahmen der gebotenen Konfliktbewältigung zu berücksichtigen; siehe BeckOK BauGB/Dirnberger, 66. Ed. 1.5.2025, BauGB § 1 Rn. 186, beck-online:
„Besonders deutlich wird dies im Bereich des Immissionsschutzes, in dem sehr häufig Konflikte auftauchen, denen sich die Gemeinde stellen muss. […] Maßgeblich sind insoweit die Besonderheiten des jeweiligen Plangebiets und seiner Umgebung; daneben kann es auf vorhandene Vorbelastungen und ihre rechtliche Bewertung ankommen (vgl. VGH München BeckRS 2008, 27616; vgl. auch OVG Koblenz BeckRS 2017, 124441)“
3.6 Gebietscharakter falsch zugrunde gelegt
Ein weiterer Mangel besteht darin, dass die Immissionsprognose einen unzutreffenden Gebietscharakter zugrunde legt. Sie stuft die umliegende Bebauung im Flächennutzungsplan als Dorfgebiet bzw. als Mischgebiet ein. Insbesondere hinsichtlich des Grundstücks unseres Mandanten geht die Prognose von einem Mischgebiet aus. Das hält einer Überprüfung nicht stand. Denn maßgeblich ist insofern nicht der Flächennutzungsplan. Nach 6.6 der TA Lärm ist ein etwaiger Bebauungsplan maßgeblich und im Übrigen die tatsächliche Nutzung. Eine Bebauungsplanfestsetzung gibt es hier nicht, sodass es auf die tatsächliche Nutznutzung ankommt. Diese ist aber weder mischgebiets-, noch dorfgebietstypisch. Für die Annahme eines Mischgebiets müsste eine „gleichberechtigte Durchmischung von Wohnen und Gewerbe“ vorliegen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. vom 21. Juni 2017 – 8 C 10068/17.OVG. = ZfBR 2017, 808, beck-online). Eine derartige Durchmischung setzt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung folgendes voraus:
„Die beiden Hauptnutzungsarten müssen sowohl quantitativ als auch qualitativ durchmischt gegeben sein (VGH München Beschl. v. 12.7.2010 – 14 CS 10.327).“ [ZBK/Söfker, 137. EL Februar 2020, BauNVO § 6 b]
Hier überwiegt eindeutig die Wohnnutzung, sodass nach Lage der Dinge von einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO auszugehen ist. Dass ein solcher Trick (die Annahme eines unzutreffenden Gebietstypus, um zu anderen Werten zu verlangen) rechtlich nicht belastbar ist, hat die obergerichtliche Rechtsprechung bereits mehrfach entschieden (siehe bspw. OVG Niedersachsen, Urteil vom 14. Februar 2007 – 12 LC 37/07 -, juris, Rn. 40; OVG Koblenz Urt. v. 12.4.2011 – 8 C 10056/11.OVG, BeckRS 2011, 50178, beck-online).
3.7 Lichtemissionen
Auch sei erwähnt, dass neben den Schall auch Lichtimmissionen durch nächtliche Veranstaltungen ein Thema sind (Stichwort: Scheinwerfer, Außenbeleuchtung, Kfz-Scheinwerfer). In den Planunterlagen wird die Lichtbelastung kaum behandelt, obwohl eine intensive nächtliche Nutzung des Areals geplant ist. Unkontrollierte künstliche Beleuchtung kann ebenfalls das Ruhebedürfnis und die Wohnqualität der Anrainer beeinträchtigen. Die unterlassenen Festsetzungen zum Lärmschutz erstrecken sich somit sinngemäß auch auf den Bereich Licht – auch hier kein Hinweis auf Abschirmungen, Zeitschaltuhren oder ähnliches.
4. In mehrfacher Hinsicht fehlende Konfliktbewältigung
In den vorangegangenen Abschnitten wurde bereits deutlich: Die Gemeinde Edenkoben hat sich in diesem Bebauungsplan weitgehend zurückgehalten, was das Steuern und Bewältigen von Raumnutzungskonflikten angeht. Kritische Nutzungsaspekte (Lärm, Verkehr, Nutzungsintensität) werden entweder gar nicht geregelt oder an zukünftige Verfahren delegiert. Dieses Phänomen – das bewusste Verzichten auf Festsetzungen in der Hoffnung, Probleme später privatwirtschaftlich oder verwaltungsintern lösen zu können – ist im Planungsrecht nicht unbekannt, aber gefährlich für den Abwägungsprozess und damit für die Rechtmäßigkeit der Planung. Es droht ein Durchführungsdefizit, wenn ein Bebauungsplan zwar rechtlich etwas ermöglicht, aber die Bewältigung der damit verbundenen Konflikte offenlässt. Hier konkret hat die Stadt Edenkoben offenbar darauf vertraut, dass städtebauliche Verträge oder privatrechtliche Vereinbarungen mit den Investoren ausreichend sind. Doch solche Abreden sind nicht dauerhaft belastbar – sie gelten etwa nicht gegenüber Rechtsnachfolgern und entziehen sich häufig der Kontrolle.
Im Folgenden geben wir einige Ausführungen aus obergerichtlichen Entscheidungen und aus einschlägiger Kommentarliteratur wieder, die veranschaulichen, welcher rechtliche Maßstab bei derartigen Raumnutzungskonflikten anzulegen ist:
- „Besonders deutlich wird dies im Bereich des Immissionsschutzes, in dem sehr häufig Konflikte auftauchen, denen sich die Gemeinde stellen muss. Die vorhandene Rechtsprechung zeigt, dass immer dann, wenn die Gemeinde den Konflikt nicht offensiv angeht und Schwierigkeiten auszublenden versucht, die Bauleitplanung in aller Regel als abwägungsfehlerhaft erkannt wird.“ [PdK Bu F-1, BauGB § 1 6.4.2, beck-online; Hervorh. d. d. Verf.]
- „Ein Bebauungsplan kann auch konfliktlösende, verkehrslenkende Maßnahmen bei der Abwägung prinzipiell berücksichtigen, die erst später erfolgen sollen und zwar auch dann, wenn kein spezielles Verwaltungsverfahren folgt, das der Durchsetzung der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen dient, aber den Betroffenen ein anderweitiger Anspruch auf Tätigwerden der Gemeinde zusteht (BVerwG NVwZ 1988, 351). Ähnliches gilt für erforderliche Lärmschutzmaßnahmen (vgl. BVerwG NJW 1995, 2572). […] Allerdings muss die Umsetzung dieser Maßnahmen hinreichend sicher sein; bspw. ist ein Bebauungsplan, der Verkehrsprobleme aufwirft, die nur durch den Ausbau einer vorhandenen Landstraße gelöst werden können, dann ungültig, wenn er diese Lösung einem künftigen Planfeststellungsverfahren überlässt, obwohl nicht absehbar ist, ob eine solche Planfeststellung ergehen kann und wird.“ [BeckOK BauGB/Dirnberger, 66. Ed. 1.5.2025, BauGB § 1 Rn. 183, beck-online; Hervorh. d. d. Verf.]
- „Es ist davon auszugehen, dass von jedem Bebauungsplan die ihm zuzurechnenden „Konflikte“ zu lösen sind (Weyreuther, BauR 1975, 1; ders. UPR 1981, 33). Damit ist nicht mehr – und auch nicht weniger – gesagt, als dass die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden müssen (→ Rn. 188). Das Ergebnis dieses Ausgleichs muss sich im Planinhalt niederschlagen. Bebauungspläne bestimmen zB, was an Immissionen infolge der Festsetzung bestimmter Nutzungen im Plangebiet oder außerhalb desselben hingenommen werden soll. Aus der Sicht der Betroffenen muss daher in bestimmter Weise erkennbar und vorhersehbar sein, mit welchen Nutzungen auf den von Festsetzungen erfassten Flächen und mit welchen Auswirkungen auf das Eigentum zu rechnen ist (BVerwG Urt. v. 11.3.1988 – 4 C 56.84, aaO vor Rn. 1). Unterstützt wird dies dadurch, dass der Bebauungsplan seine rechtsverbindlichen Regelungen grundsätzlich „konkret-individuell“, dh „im Angesicht der konkreten Sachlage“ trifft (BVerwG Urt. v. 30.1.1976 – 4 C 26.74, aaO vor Rn. 1).“ [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 157. EL November 2024, BauGB § 1 Rn. 216, beck-online; Hervorh. d. d. Verf.]
- „Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zulasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben. Das schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln zwar nicht zwingend aus. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf der Plangeber Abstand nehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. Insoweit wird der Grundsatz, dass die durch die Bauleitplanung geschaffenen Probleme auch durch die Bauleitplanung gelöst werden müssen, durch den Grundsatz der „planerischen Zurückhaltung“ eingeschränkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003, BVerwGE 119, 45, 49; Beschl. v. 17.5.1995, ZfBR 1995, 269, jew. m. w. N.). Eine Konfliktlösung im Baugenehmigungsverfahren setzt danach jedoch voraus, dass der Bebauungsplan für sie überhaupt noch offen ist. Je konkreter die Festsetzungen sind und je weniger der Plangeber von der Möglichkeit, planerische Zurückhaltung zu üben, Gebrauch gemacht hat, umso geringer ist auch der Spielraum, der für eine „Nachsteuerung“ im Baugenehmigungsverfahren bleibt. Festsetzungen eines Bebauungsplans können durch Maßnahmen der Konfliktlösung auf der Stufe der Verwirklichung der Planung nur ergänzt, nicht aber korrigiert werden. Nachfolgend mögliche Problemlösungen können eine planerische Zurückhaltung, nicht aber planerische Fehleinschätzungen rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.3.1989, BauR 1989, 306 zu § 15 BauNVO).“ [OVG Hamburg Urt. v. 7.6.2012 – 2 E 8/09, BeckRS 2012, 60825, beck-online; Hervorh. d. d. Verf.]
- „Eine Konfliktlösung im Baugenehmigungsverfahren setzt aber voraus, daß der Bebauungsplan für sie noch offen ist. Je konkreter eine Festsetzung ist, um so geringer ist die Gestaltungsfreiheit für den Betroffenen und damit auch der Spielraum für die Anwendung des § 15 BauNVO. Nur soweit der Bebauungsplan selbst noch keine abschließende planerische Entscheidung enthält, ermöglicht § 15 BauNVO eine “Nachsteuerung” im Baugenehmigungsverfahren. Zu Recht führt das Normenkontrollgericht aus, der Blick auf § 15 BauNVO könne planerische Zurückhaltung rechtfertigen, nicht aber planerische Fehleinschätzungen. Läßt ein Bebauungsplan – wie nach den Darlegungen des Normenkontrollgerichts im vorliegenden Fall – ein Parkhaus an einem konkreten Standort in einer bestimmten Größe und für einen bestimmten Zweck zu und setzt er zugleich die Ein- und Ausfahrt zu ihm konkret innerhalb einer weitgehend schon vorhandenen und im Übrigen ebenfalls im einzelnen geplanten Bebauung fest, so hat der Ortsgesetzgeber von der Möglichkeit, planerische Zurückhaltung zu üben, keinen Gebrauch gemacht. Für die Wirksamkeit des Bebauungsplans kommt es dann allein darauf an, ob diese Planung den Anforderungen des Abwägungsgebots genügt oder nicht. Abwägungsdefizite, soweit sie nicht gem. § 214 III BauGB unbeachtlich sind, führen dann unmittelbar zur Nichtigkeit des Bebauungsplans.“ [BVerwG Beschl. v. 6.3.1989 – 4 NB 8/ 89, BeckRS 1989, 1391, beck-online; Hervorh. d. d. Verf.]
- „Die zur Vermeidung unzumutbarer Lärmimmissionen erforderliche Begrenzung von Nutzungszeiten bei einer Sportanlage muss bei Beschlussfassung über den Bebauungsplan nicht gelöst werden, sofern die spätere Umsetzung der geplanten Nutzungszeitenbegrenzung als rechtlich hinreichend gesichert annehmen darf (VGH Mannheim Urt. v. 14.11.1996 – 5 S 5/95, VBl. BW 1997, 178 = ZfBR 1997, 101).“ [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 157. EL November 2024, BauGB § 1 Rn. 223, beck-online; Hervorh. d. d. Verf.]
Die vorstehend aufgezeigten rechtlichen Grenzen sind hier, wie dargelegt, in mehrfacher Hinsicht überschritten worden:
- Schwierigkeiten werden ausgeblendet;
- nachfolgend mögliche Problemlösungen können eine planerische Zurückhaltung, nicht aber planerische Fehleinschätzungen rechtfertigen;
- die Umsetzung erforderlicher Maßnahmen ist nicht hinreichend gesichert;
- das Ergebnis des Interessenausgleichs schlägt sich nicht im Planinhalt nieder;
- es ist für (Lärm-)Betroffene nicht erkennbar und vorhersehbar, mit welchen Nutzungen auf den von Festsetzungen erfassten Flächen und mit welchen Auswirkungen auf das Eigentum zu rechnen ist;
5. Kein vertretbarer Ausgleich der betroffenen Interessen
Ein weiterer Aspekt der Abwägung ist die Frage, ob die Planung insgesamt einen vertretbaren Ausgleich der Interessen vornimmt. Hier fällt auf, dass die Gemeinde einseitig die Interessen der Investoren am wirtschaftlichen Betrieb in den Vordergrund stellt („wirtschaftliche Nutzung ermöglichen, um das Gelände erhalten zu können“). Die offengelegten Dokumente wirken, als ob dieses Argument von den Betreibern des Klosters vorgegeben und bislang unkritisch übernommen wurde.
Es mag zutreffen, dass eine gewisse rentierliche Nutzung nötig ist, um die historische Substanz zu erhalten; doch ist zu prüfen, welche Intensität wirklich erforderlich ist. Alternativen, weniger konfliktträchtige Konzepte (z.B. geringere Veranstaltungsgrößen, frühere Ruhezeiten, ausschließlich intern vergebene Parkflächen etc.) wurden offenbar nicht ernsthaft untersucht. Stattdessen wurden die Wünsche des Projektierer nahezu vollständig übernommen.
Dies ist eine Fehleinschätzung der Bedeutung der Nachbarbelange; die Interessen der Anwohner auf Schutz haben in der bislang vorgesehenen Abwägung kein angemessenes Gewicht gefunden. Ein Bebauungsplan, der hunderte fremde Gäste bis tief in die Nacht hinein in ein Wohnumfeld hineinträgt (und dies ohne gesicherte Schutzvorkehrungen bzw. Konfliktbewältigung), stellt einen eklatanten Abwägungsfehler dar.
6. Denkmalschutzrechtliche und weitere Bedenken
Auch denkmalschutzrechtlich erscheint das Verfahren problematisch. Die Denkmalzone Kloster Heilsbruck genießt besonderen gesetzlichen Schutz. Die vorliegenden Bürgerhinweise (siehe Abwägung der Öffentlichkeitsbeteiligung) kritisieren zu Recht, dass die Vielzahl geplanter Neubauten im Rahmen des SO2 das historische Ensemble beeinträchtigen könnte. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch, dass in der Rechtsverordnung zur Denkmalzone von 1997 explizit auch die Frei- und Grünflächen geschützt wurden. Damit sind neue Gebäude in SO2 nicht zu vereinbaren. Auch hier zeigt sich: Das öffentliche Interesse am Erhalt des charakteristischen Denkmalareals wurde in der Abwägung offenbar hinter die Verwertungsinteressen gestellt. Auch insofern ist die (beabsichtigte) Abwägung rechtlich nicht mangelfrei.
Hinzu kommt ein weiterer Denkmalaspekt: Die historische Klostermauer hatte früher (und auch 1997, als die Denkmalzone eingerichtet wurde) Richtung Westen eine 2 m breite Einfahrt. Im Rahmen des Baus des Kräutergartens im Jahr 2012 wurde diese auf 6 m erweitert. Nun soll diese Öffnung in der historische Klostermauer im Westen sogar auf 11 m erweitert werden, so dass weitere Teile der geschützten Klostermauer abgetragen würden. Auch dieses Thema blendet die Bebauungsplanung konsequent aus. Die Herstellung einer Konfliktbewältigung bzw. eines (rechtlich) angemessenen Ausgleichs unter Berücksichtigung denkmalschutzrechtlicher Erwägungen, fehlt vollständig.
Der Bebauungsplan verweist in seiner Begründung auf einen Umweltbericht und artenschutzrechtliche Gutachten. Darin sind zahlreiche Empfehlungen und Maßnahmen beschrieben (z.B. Versickerungs- und Begrünungsmaßnahmen, Schutz von Mauereidechsen und Fledermäusen etc.). Allerdings stellt sich die Frage, welche dieser Maßnahmen tatsächlich wirksam Berücksichtigung finden. Einiges findet sich in den textlichen Festsetzungen (z.B. Begrünungsgebote für Dächer und Stellplätze, Art der Einfriedungen, Pflanzlisten für Ausgleichsmaßnahmen). Vieles bleibt jedoch vage oder nur in der Begründung erwähnt. Beispielsweise ist im Umweltbericht die Rede davon, dass private Grünflächen gärtnerisch gestaltet werden sollen, um neue Bruträume zu schaffen; bewältigt wird dieses Thema dann aber nicht. Ebenso dürften diverse Artenschutz-Maßnahmen (Umsiedlung von Mauereidechsen, Schaffung von Ersatzhabitaten) erforderlich sein. Der Bebauungsplan müsste hierzu entweder Maßnahmenflächen festsetzen oder zumindest über eine Durchführungsvereinbarung absichern, dass der Vorhabenträger die Vorgaben aus dem Gutachten umsetzt. Wir konnten jedoch keine entsprechenden Festsetzungskarten oder -texte entdecken (etwa nach § 9 Abs. 1a BauGB).
Ergänzend möchten wir – auch wenn dies nicht unmittelbar rechtlich relevant ist – darauf hinweisen, dass der gleiche Investor (Fa. Speeter), der das Kloster entwickeln will, in Maikammer ein Hotelprojekt angeschoben hat; gewissermaßen auf der grünen Wiese ohne Bestandsbebauung. Die Gemeinde Maikammer hatte dafür im Jahr 2019 einen massgeschneiderten Bebauungsplan für dieses Vorhaben erstellt. Eine Umsetzung hat dann jedoch nicht stattgefunden. Nun, sechs Jahre später, wird der Investor mit der Aussage zitiert, dass er für ein Hotel mit 60 Zimmern keinen passenden Businessplan sehe und keinen Pächter finde, der das Hotel betreiben könne. Stattdessen soll daraus nun ein Business-Center werden, für welches man einen Ankermieter habe. Das wirft die Frage auf, wie nun der gleiche Investor ein derartiges Projekt in weniger als 3 km Entfernung realisieren möchte – mit weniger Zimmer, mit Denkmalschutzauflagen, mit stark renovierungsbedürftigen Bestandsgebäuden und (laut Schallschutzprognose) mit nur wenigen Veranstaltungen im Jahr. Das erweckt den Eindruck, dass sich der Investor über eine (diplomatisch formuliert) sehr entgegenkommende Bebauungsplanung Baurecht sichern möchte, um dann relativ frei in der Gestaltung zu sein – und damit einhergehend: zulasten der kommunalen Gestaltungsfreiheit. Eine nachträgliche Änderung der Bebauungsplan dürfte aufgrund des Planschadensrechts im BauGB problematisch sein.
Zu beanstanden ist auch, dass die Erhöhung des Kräutergarten-Gebäudes nicht in die Planung aufgenommen wurde. Der Investor hat sein Hauptgebäude im neuen Entwurf um bis zu 5 m erhöht (in der frühzeitigen Beteiligung 2021 war das noch nicht vorgesehen), um ein weiteres Stockwerk bauen zu können. Dies führt dazu, dass das Gebäude am Ende höher als das Hauptgebäude des Klosters wäre. Diese Änderung wird im Text nicht erwähnt.
7. Ergebnis
Es lässt sich festhalten, dass der vorliegende Bebauungsplanentwurf in mehrfacher Hinsicht und auch recht deutlich die rechtlichen Maßgaben, die zu beachten sind, nicht berücksichtigt. Ein Normenkontrollverfahren gegen eine solche Planung hätte, wie dargelegt, aus mehreren Gründen Erfolg:
- nicht hinreichend klare und eindeutige Zweckbestimmung;
- Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz zum sog. Etikettenschwindel;
- keine klaren Regelungen zur internen Gebietsgliederung oder Immissionsschutz innerhalb des SO 2;
- die in SO 1 und SO 2 vorgesehene Kombination aus Hotel, Boardinghouse, Spa, Gastronomie, Seminaren, Veranstaltungen, Café, Kräuterproduktion, Ferienwohnungen und Arztpraxen überschreitet den Rahmen und konterkariert das Gebot klarer Gebietstypik;
- die Darstellung und Begründung der Flächennutzungsplanung ist zu unbestimmt und kaschiert das, was tatsächlich stattfinden soll;
- in mehrfacher Hinsicht werden hinsichtlich des Lärmschutzes von nicht realistischen Annahmen ausgegangen;
- auch die Prognose von Verhaltensweisen und Lärmentstehung beruht auf unrealistischen Annahmen (durch Hotelübernachtungen soll bei Feiern der Parklärm reduziert werden; das mit den Hotelübernachtungen dann aber auch der Alkoholpegel und das Durchhaltevermögen beim Feiern steigt, wird ausgeblendet);
- der Einwirkungsbereich von Veranstaltung Lärm wird falsch eingeschätzt;
- auch beim Park-/Verkehrslärm werden unrealistische Annahmen zugrunde gelegt;
- Effektive Lärmschutzmaßnahmen sind im Bebauungsplan nicht vorgesehen;
- als „seltene Ereignisse“ werden Ereignisse angesehen, die nicht selten sind;
- Vorbelastungen bleiben im Rahmen der Planung zu Unrecht außer Betracht;
- es wird der falsche Gebietscharakter zugrunde gelegt
- Konflikte werden durch die Planung nicht bewältigt, sondern umfassend in nicht zu rechtfertigender Art und Weise in das Baugenehmigungsverfahren verschoben;
Das zeigen die bereits bekannten obergerichtlichen Entscheidungen zu den auch hier relevanten planungsrechtlichen Fragestellungen. Deshalb fordern wir die Stadt Edenkoben namens und im Auftrag unserer Partei auf, die Planung grundlegend zu überdenken und umzugestalten oder aufzugeben.